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Nahe
Der Rotenfels im Licht der untergehenden Sonne Bad Münster am Stein

Das Weinland Nahe – geologisch betrachtet

Schaut man aus der Vogelperspektive auf das Weinland Nahe, dann offenbaren sich drei „Generationen“ von geologischen Landschaften. Sie unterscheiden sich in ihrer Entstehungsweise völlig voneinander und überdecken sich in ihren Grenzbereichen.


Doch nun der Reihe nach:
Die ältesten Gesteine im Weinland Nahe sind die Höhenzüge des Soonwaldes. Sie entstanden in der Epoche des Devon und sind die südlichsten Ausläufer des Rheinischen Schiefergebirges.
Schweift unser Blick in Richtung Nahe, nach Südwesten, dann sieht man meist Gesteine von mittlerem Alter. Sie repräsentieren mit schwarzbraunen oder auch roten Sedimentschichten die Epoche des Perm.
Das südöstliche Weinland Nahe wird überwiegend von jüngeren Gesteinsschichten überdeckt. Es sind meist helle Lockergesteine aus der jüngsten Erdgeschichte, aus dem Tertiär und dem Quartär.

Die Quarzite und Schiefer des Soonwaldes

Die älteste und gleichzeitig aus der Landschaft am stärksten herausragende geologische Einheit bilden die Härtlingszüge des Soonwaldes. Sie sind die steinernen Zeitzeugen einer küstennahen, tropischen Meeresstraße, die hier vor 400 Millionen Jahren existierte. Durch große felsige Inseln, wie dem heutigen Spessart, dem Schwarzwald und den Vogesen, war diese west­europäische Meeresstraße vom südlichen offenen Ozean abgetrennt.
Äquatornah gelegen war dieses tropische Gewässer voller Leben. Landnahe Korallenriffe, wie das heutige Stromberger Kalkvorkommen, und Tiefseebecken, wie die heutigen Dachschiefervorkommen z.B. von Gemünden, wechselten sich mit küstennahen Flachwasserbereichen ab. Hier im flachen Meeresteil entstanden, abhängig von der Strömungsstärke, mal mehr sandige, mal mehr tonige Ablagerungen. Die rein sandigen Partien wurden später zum Quarzit, der heute der Bauindustrie wertvolle Rohstoffe liefert.
Im Wechselspiel der Gezeiten sammelte diese Meeresstraße in den Jahrmillionen ihrer Existenz Ablagerungen von Schlick, Sand und untergeordnet auch Kalken in einer Mächtigkeit von rund zehn Kilometern Dicke an.


Die Gebirgsauffaltung des Soonwaldes

Die Ursache für die zunächst stetige Absenkung des Meeresbeckens waren einst plattentektonische Prozesse. Vor 300 Millionen Jahren stagnierte diese Senkbewegung und drehte sich bald ins Gegenteil um. Dies führte zunächst zur Verlandung der Meeresstraße und damit zum Trockenfallen der Ablagerungen. Anhaltender Schub der Erdplatten nach Norden brachte eine Einengung der europäischen Platte und damit den Zusammenschub der Meeresschichten. Einem Tischtuch gleich wurden dabei die Sedimentschichten aufgefaltet und mineralogisch umgewandelt. Aus feinblättrigen Tonsteinen wurden Schiefer, aus Sandsteinen wurden Quarzite.


Die Flusssande und See­tone des Nahelandes

Ergebnis dieser tektonischen Bewegungen in der Erdkruste war ein völlig neues Landschaftsbild. Der Meeresstraße war ein schroffes Gebirge erwachsen. Hier setzen die Geologen eine Zeitmarke und nennen die folgende festländische Phase Permokarbon. Diese Epoche begann damit, dass an den Rändern des frisch aufgefalteten Rheinischen Schiefergebirges sich zunächst regenreiche Sumpflandschaften bildeten, die auch im Weinland Nahe lokale Kohlevorkommen entstehen ließen, wie z.B. in Oberhausen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine Landschaft aus großen Seen und ihren Zuflüssen. Am Grunde der Seen wurden Seetone abgelagert, sie bilden heute schwarz glänzende, aber auch dunkelbraune blättrige Tonsteine, historisch auch als „Schiefertone“ bezeichnet. Sie sind nicht zu verwechseln mit den Schiefern des Rheinischen Schiefergebirges. Erst die Gebirgsbildung wandelt Tonsteine in Schiefer um. Die Gesteinshärte macht den Unterschied. Die Sande und Kiese der ehemaligen Flußläufe wurden zu meist hellbraunen oder auch rötlichen Sandsteinen. Da sie ein beliebtes Baumaterial sind, werden aus ihnen häufig die Gebäude und die Weinbergsmauern der mittleren Nahe errichtet.

Die starken Bewegungen in der Erdkruste setzten aber noch ganz andere Kräfte frei. Sie mobilisierten die endogenen Kräfte der Erde und ließen lokal vulkanische Schmelzen aufsteigen.


Wüstenlandschaft mit Vulkanismus

Im Zuge der anhaltenden Norddrift der Europäischen Platte wurde diese in den Klimabereich des nördlichen Wendekreises (Position der heutigen Sahara) geschoben. Damit wurde das Wetter wüstenartig. Die heutige Gesteinsverteilung im Weinland Nahe überliefert uns das detaillierte Bild dieser Wüstenlandschaft, die hier vor rund 300 Millionen Jahren existierte.
Der Soonwald bildete als felsiger Gebirgskamm den nördlichen Rand der Wüste. Die für Wüstenklima typischen starken Temperaturschwankungen im Tagesverlauf führten zu intensiver physikalischer Gesteinsverwitterung und damit zu großen Mengen an lockerem Gesteinsschutt. In den gebirgigen Bereichen der Wüste kam es für kurze Zeiten wiederholt zu Unwettern mit Stark­regen. Diese Wassermassen flossen dann sturzbachartig aus den umliegenden Höhen durch Täler in das Wüstenbecken. Die Strömungskraft der Fluten riss große Mengen von Gesteinsschutt mit sich und spülte sie in die Wüstenlandschaft. Nach einer solchen Starkregenphase fielen die Täler schnell wieder trocken. Die großen Trockentäler der heutigen Wüsten nennt man Wadi, auch sie werden nach Starkregen für kurze Zeit zu reißenden Wasserläufen.
Den Übergang aus diesen gebirgigen Liefergebieten in das Wüstenbecken markiert chaotisch abgelagerter Gesteinsschutt. In seinen Massen finden sich teilweise fußballgroße Gesteinsbruchstücke. Diese grobkörnigen Schichten kann man vielerorts im Weinland Nahe sehen, so auch in Wallhausen, wo sie an einem geologischen Lehrpfad erläutert sind.

Beckenwärts ließ die Fließkraft der Wadis bald nach, und so wurde hier der mitgerissene Sand abgelagert. Die rot leuchtenden Sandsteine sind heute meist nördlich der Nahe gelegen, wie zum Beispiel im Windesheimer Fels. Das Beckenzentrum erreichte nur noch das feinste Sedimentkorn, die sogenannten Silte oder Schluffe. Sie wurden zu den roten Silt- oder Tonsteinen rund um Rüdesheim.
In diesen tonigen Bereichen der Wüste sammelten sich zeitweise kleine Salzseen, an deren Ufern stellenweise Pflanzen wuchsen und Kleinsaurier ihre Fußabdrücke hinterließen. Fossilfunde weisen hierauf hin.
Diese feinkörnigen, tonigen Schichten waren auch der Rohstoff, in dem Pastor Felke die medizinischen Kräfte von Tonmineralien erkannte und sie für seine Felkekur entdeckte.

Außer dem Wasser war auch der Wüstenwind landschaftsgestaltend aktiv. Bei Roxheim ist in einem weiteren geologischen Lehrpfad eine Besonderheit der Wüste überliefert. Hier ist in einem früheren Steinbruch eine Wüstendüne, also ein vom starken Wüstenwind aufgehäufter Sandkörper aufgeschlossen und auf einer Tafel erläutert.
Neben diesen extremen Klimaverhältnissen verstärkte sich mit der Zeit auch die vulkanische Aktivität und schuf ein ganzes Vulkanfeld im Bereich der heutigen mittleren Nahe. Heute misst dieses Vulkanfeld noch rund zwölf Kilometer in seiner Längserstreckung. Zu seiner Entstehungszeit – vor rund 290 Millionen Jahren – war es viel größer. Unterschiedlichste vulkanische Ereignisse hinterließen eine Vielfalt vulkanischer Gesteine, die mit ihrer Härte und Beständigkeit die markanten Landschaftsformen des mittleren Nahetals bilden.
Zu dieser Landschaft aus erloschenen Feuerbergen zählen das Kreuznacher Rhyolithmassiv mit seinem schluchtartigen Salinental sowie die steil aufragende Felskulisse von Bad Münster am Stein-Ebernburg mit dem Rheingrafenstein, der Gans und dem mächtigen Rotenfels. Aber auch der Lemberg, Gangelsberg, Heimberg und Welschberg stiegen einst, begleitet von starken Erdbeben, als glutflüssige Schmelzen auf. Neben Gesteinen brachten sie lokal auch metallische Rohstoffe mit an die Erdoberfläche. Bergbaulich bedeutend wurden die Vorkommen von Quecksilber im Lemberg und die Vorkommen von Kupfererzen generell. Die Anwesenheit von Kupfer spiegelt sich heute teilweise noch in den Bezeichnungen der Weinlagen wider, wie z.B. bei der „Kupfergrube“ nahe Schloßböckelheim.

Die Epoche des Perm zeigt sich uns heute in ihren steinernen Zeugen als vielfältige Landschaft aus Wüstensedimenten und Vulkanismus.


Die Schichtlücke aus Trias, Jura und Kreide

Die dann eigentlich folgenden geologischen Epochen der Trias (Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper), des Jura und der Kreide liegen im Dunkeln verborgen. Die Geologie spricht in solch einem Fall von einer Schichtlücke, da unklar ist, warum sich im Weinland Nahe aus diesen geologischen Zeiten nichts finden läßt. Entweder wurden sie hier nie abgelagert, oder sie gingen durch späteren Abtrag (Erosion) komplett wieder verloren. Es finden sich auch in den jüngeren Ablagerungen keine Nachweise für ihre Existenz. Stattdessen finden sich aber intensive chemische Gesteinsverwitterungsspuren in den Schiefern, wie im „Erdblick“ bei Rümmelsheim. Er verrät, dass zumindest Teile der Landschaft ein Hochgebiet bildeten, das intensiver Verwitterung unter tropischen Klimabedingungen ausgesetzt war.

Die Meeressande und die Mergel

Erst für die Erdneuzeit finden sich wieder geologische Zeugen in Form von Meeressanden. Auch ihr Auftreten ist ein erneutes Zeichen von großräumigen Bewegungen in der Erdkruste. Der heutige Oberrheingraben (oder auch Oberrheinebene) war vor mehr als 40 Millionen Jahren ein Meeresarm, der im Laufe der Zeit eine buchtartige Erweiterung in Richtung des heutigen Bad Kreuznach entwickelte. Aus dieser tropischen Meeresbucht gibt es viele Lebensspuren. Ihre Küstenlinie bzw. ihr Strandbereich wird nachgezeichnet von Brandungsklippen an älteren Felsen, aber auch von Kies- und Sandvorkommen. In den gelb-orange gefärbten Sanden finden sich viele Meeresfossilien wie Muscheln und Schnecken, aber auch Zähne von Haifischen und ganze Skelette von Seekühen, die schon damals das brackige Wasser von Flussmündungen besiedelten. In den zentralen, tieferen Teilen der Meeresbucht wurden kalkig-tonige Schichten, die Mergel abgelagert. Vorkommen von Gipsbänken zeigen, dass flachere Bereiche der Meeresbucht wiederholt kurzzeitig lagunenartig austrockneten.


Eiszeiten und Warmzeiten

Aber auch dieses Meer verschwand wieder und machte Platz für die letzte geologische Phase, das Quartär. Beginnend mit den Eiszeiten und den sie unterbrechenden Zwischeneiszeiten (Warmzeiten) schuf diese Epoche starker Klimaschwankungen unser heutiges Landschaftsbild aus Gebirgen, Flusstälern und Ebenen. Dies ist der Grund, warum im Weinland Nahe die alten Schotterflächen der eiszeitlichen Nahe heute oft 100 Meter über dem aktuellen Flussbett liegen. Unsere heutigen Flussläufe haben sich erst im Laufe der letzten zwei Millionen Jahre ihre Täler in die Landschaft gegraben.
Auch die eiszeitlichen Winde hinterließen ihre geologischen Spuren. In der kahlen Tundrenlandschaft hatten die starken eiszeitlichen Stürme leichtes Spiel. Mit ihrer Windstärke konnten sie feinkörnige Staubstürme aufwirbeln und kilometerweit verfrachten. Im Windschatten fielen die Staubteilchen dann zu Boden und überzuckerten die Landschaft mit Löss, dem steinfreien Staubboden.
Genau in dieser Epoche hinterläßt übrigens auch der Mensch seine ersten Spuren, wir sprechen von den Steinzeitkulturen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Copyright (Text und Bilder): Karin Ochel-Spies